Die 3. Sächsischen Zitrustage – Eine Entdeckungsreise

Endlich sollte er gelingen, der Besuch der Sächsischen Zitrustage im Barockgarten von Großsedlitz. Strahlend blauer Himmel, voller Vorfreude, als sich 10:00 Uhr die Türen der oberen Orangerie öffneten. Der erste Tag der 3. Zitrustage hatte begonnen.

Was für ein Anblick.
Lichtüberflutet, mit hoheitsvollem Charme, präsentierte sich die
Orangerie. Aussteller ordneten mit letzten Handgriffen ihre Angebote und
schauten erwartungsfroh auf die eintretenden Besucher. Die Atmosphäre, wie an einem
sonnigen Sonntagmorgen, voller morgendlicher Frische und Ruhe und einem
gewissen feierlichem Gefühl … aus dem Zauber des Augenblickes… Ich wagte nicht,
diesen Moment mit einem Klick der Kamera zu stören…

 

In der Luft der Galerie lag ein feiner süßer Duft. Ich folgte der Duftspur und
kam geradewegs in den Westpavillon der Orangerie …und da waren sie, die
Zitrusbäumchen. Fein gestellt, wie es sich einst gehörte, auf weißen Stellagen.
Die größeren Pomeranzenbäume platzierten sich an den Wänden ringsherum und bildeten
eine Art Spalier. Dazu das Farbenspiel aus Grüntönen, leuchtendem Orange
und Gelb, Weiß und Blau – ein faszinierender Anblick.

…diese duft-gefühlte Atmosphäre…
Eine Sinfonie aus der Süße der Blüten,
gemischt mit der Frische und Heiterkeit der „Goldenen Äpfel“. Betörend und beglückend. Gedanken, an eine riesige Duftlampe aus feinstem Alabaster, kamen in den Sinn…

So also spielt und klingt
das Duftorchester, wenn die Düfte der Blätter, der Blüten und der Früchte
zusammenkommen; wenn sich historische Zitrussorten (und ihre Varietäten), wie Zitronat-Zitrone (Citrus medica), Pomeranzen/Bitterorangen (Citrus aurantium), Limonen (Citrus limon) im Duft vereinen.

Leider fehlten im “ historischen Duftorchester“ die Mandarinen (Citrus reticulata). Sie kamen wohl irgendwann zu spät. Erst im 19.Jh. fanden des „Kaisers Mandarinen“ den Weg nach Europa. Damit verpassten sie die Blütezeit der
Orangerien. Sie spielten keine wesentliche Rolle mehr. Die
Plätze waren an Zedrat-Zitrone, Pomeranzen, Limonen und Orangen bereits vergeben…

Die Sammlung der Pomeranzen im Barockgarten Großsedlitz, sei eine der größten und wohl schönsten in Deutschland. Darunter sind  Varietäten wie, die „Myrtenblättrige Bitterorange“, die „Deutsche Landsknechtshose“, die „Bizarre Orange“, die „Krausblättrige Bitterorange“, die „Weidenblättrige Pomeranze“, die „Gefurchte oder gestreifte Bitterorange“, die „Gehörnte Pomeranze“ u.a.

Nach meiner etwas einstürmenden Frage, auf den Herrn mit dem englischen Gärtnerhut, wo ich denn die Citrus medica und die Bergamotte finden würde, schmunzelte dieser und machte mich zuerst mit einem anderen Zitrusgewächs bekannt. Es war die „Gehörnte Pomeranze“ (Citrus aurantium ‚Corniculata‘). Er zeigte mir die kleinen „Hörnchen“ auf der Fruchtschale einer gelben Frucht und lenkte meine Aufmerksamkeit, auf den wundervollen Duft der Schale einer sehr reifen, kräftig orange farbenen Frucht.

In meinem Eifer wäre ich glatt an dieser Besonderheit vorbeigelaufen und hätte sie nur am Rande mit „achwieschön“ registriert.

Wie ich erfuhr war die „Gehörnte“ ca. vierzig Jahre alt und gehörte mit zu den ältesten Pomeranzen im Bestand.  Aus den Erklärungen sprachen spürbare Begeisterung und Stolz auf die (seine) Zöglinge. Der Herr mit dem Gärtnerhut ist der Orangeur a.D. Eckhard Hantsch, der Fachmann für Zitrusgewächse bzw. wie ich geschrieben fand, der „Vater der Bitterorangen“.

Im Barockgarten Großsedlitz wurde im Jahre 1997 die lange Tradition der Kultivierung von Bitterorangen wieder aufgenommen. Zur Zeit werden 81 Pomeranzenbäumchen aus Italien für die Wiederaufstellung im Dresdner Zwinger, gehegt und gepflegt. Dafür werden Baumpaten gesucht (hier), wie mir Herr Peter Ranft erzählte. Diese 81 Pomeranzenbäumchen brauchen allein 2-3 Jahre intensivste Pflege in der Aufzucht und danach weitere fachmännische Betreuung. Unterstützende Paten sind dabei sehr willkommen.

(re.) Eckhard
Hantsch, Orangeriegärtner a.D;
Ehrenmitglied im Arbeitskreis Orangerien in Deutschland e.V. (hier) Ansprechpartner für Pflanzenkultur und gärtnerischer Fachberatung

(li.) Peter Ranft, Beiratsvorsitzender »Gärten &
Gestaltung« im „Freundeskreis Schlösserland Sachsen e.V.“ (hier)

Herr Ranft hielt eine Broschüre in den Händen die meine Aufmerksamkeit erregte. Es war das Begleitheft zu den Sächsischen Zitrustagen „Geliebte
Fremdlinge – Von Citronen und Goldorangen“ herausgegeben vom
Förderverein Freundeskreis Barockgarten Großsedlitz e.V.. Eine sehr schöne,
informative und anspruchsvolle Broschüre. In ihr konnte ich zu Hause in
Ruhe all das nachlesen, was ich verpasste bzw. übersah. Mit anderen
Worten, nächstes Jahr gibt es einen weiteren Besuch und eine neue
Entdeckungsreise.

…vorher jedoch werde ich der 300 jährigen Pomeranzen-Dame im Schlosspark Pillnitz einen Besuch abstatten. Sie soll wohl August den Starken noch persönlich gekannt haben…

Wer von den Citrus ist nun die „Ur-Zitrone“?

Vermutlich gibt es nicht „die“ UrMutter aller Citrus, nach derzeitigem Erkenntnisstand, lassen sich die Arten kultivierter Zitruspflanzen auf drei Zitrusgewächse zurückführen: die Zitronat-Zitrone (Citrus medica), die Pampelmuse (Citrus maxima) und die Mandarine (Citrus rediculata).
Die Eltern der Bitterorangen (Citrus aurantium) und der Orangen (Citrus sinensis) sind  Pampelmuse und Mandarine. Man nimmt an, dass je nachdem, welcher Elternteil genetisch dominiert, entweder die Bitterorangen oder die Süßorangen entstehen.

Kreuzungen zwischen Bitterorangen und Zitronat-Zitrone führten zu Zitronen (Citrus limon) und zur Bergamotte (Citrus bergamia), d.h., in der Bergamotte vereinen sich die Zitronat-Zitrone, die Pampelmus und die Mandarine, ebenso in der Zitrone.

Seit dem Besuch der Zitrustage habe ich einen neuen Blick auf die Citrus und auch auf die ÄÖ. Das spannende Recherchieren geht weiter.

Impressionen

Citrus medica var. sarcodactylis („Buddhas Hand“); Citrus medica var. ethrog (Hebräische Zitronat-Zitrone „Etrog“)

Citrus bergamia (Bergamotte)

Citrus limon (Gemeine Zitrone); Citrus limon ‚Canaliculata‘ (Gefurchte Zitrone); Citrus limon ‚Dolce‘ (Süße Zitrone)

Citrus aurantium (Pomeranze o. Bitterorange); C.a.’Crispifolia‘ (Krausblättrige Bitterorange);
C.a. ‚Salicifolia‘ (Weidenblättrige Pomeranze); C.a. ‚Foetifera‘ (Tochterfrüchtige Bitterorange);
C.a. var. myrtifolia (Myrtenblättrige Pomeranze); C.a. ‚Fasciata‘ (Deutsche Landsknechtshose);
C.a. ‚Consolei‘ (Gefurchte oder gestreifte Bitterorange); C.a. ‚Bizzaria‘ (Bizarre Orange) (2x);
C.a. ‚Distorto monstroso‘ (Verzerrte oder monströse Bitterorange)

Poncirus trifolia (Dreiblättrige Orange)

…und noch etwas 
Es ist unglaublich mit welch selektierender Wahrnehmung die Welt erfasst werden kann. Seit Jahren kenne ich nun schon ÄÖ von Zitrusgewächsen, habe darüber gehört und gelesen, darüber gesprochen und glaubte, ich kenne die Pflanzen dazu. … und dann geschieht etwas Unglaubliches.

Als ich mich schon auf dem Heimweg befand – entdeckte ich, im Vorbeigehen an einem kleinem Bäumchen … DORNEN!!!

Zitrus und Dornen, nein, das kann nur ein Irrtum sein. War es aber nicht, wie ich kurz darauf vermerkte. Das Bäumchen war die ‚Dreiblättrige Orange‘, eine Pflanze von den Hängen des Himalaya, robust, frosthart (bis -30°C lt. Angabe) und mit der Fähigkeit undurchdringliche Schutzhecken, mit bis zu 6 cm langen Dornen, zu bilden.
Danach schaute ich gezielt und siehe da, ich entdeckte bei den Bitterorangen, bei der Citrus medica usw…  kleinere oder größere Dornen. Ich hätte nie vermutet, dass Zitrusgewächse so wehrhaft sein können. Ihr Duft (u. der des ÄÖ) ist doch Leichtigkeit und Frohsinn pur…, da passen keine Dornen dazu.

Was mich noch nachhaltiger beeindruckte: ich habe die Dornen mitfotografiert, sie jedoch weder in Natura noch auf den Bildern bewusst wahrgenommen.
Die Kombination Zitrusduft und Dornen fand nicht statt, denn dieses Bild hätte nicht in all das Gehörte und Vorgestellte gepasst. Soviel dazu.
Was nehmen wir wirklich von der Welt wahr? Diese Frage hat seitdem einen sehr praktischen Hintergrund bekommen…

Übrigens nach den sinnlichen Genüssen in der Orangerie gab es noch ein abschließendes i-Tüpfelchen für die Geschmacksnerven: die Kostprobe einer göttlichen Himbeer-Waldmeister Konfitüre… an einem Stand vor der Freitreppe.

Fazit
Es lohnten sich, sowohl das frühe Aufstehen als auch die zweistündige Fahrt.
Eine wirklich sehenswerte und gelungene Veranstaltung. Wunderbar gestaltet und super Informationen zu den Zitrusarten. Die Veranstaltung organisierte der
Förderverein Freundeskreis Barockgarten Großsedlitz e.V. (hier).

Wer seinen Sinnen und seiner Seele den Genuss des Geniessens gönnen möchte, sollte sich diese Veranstaltung für nächstes Jahr vormerken.
Und wer mit ÄÖ arbeitet, für den ist es eine wunderbare Gelegenheit, die Pflanzen hinter den kostbaren „Essenzen“ kennenzulernen.
Mein Tipp: Sonnabend früh 10:00 Uhr ist seeehr günstig…

Am 14. Juni / 19. Juli / 15. August / 6. September 2015 findet, jeweils um 15:00 Uhr, im Barockgarten ein Streifzug durch die Orangerie-Kultur „Pomeranzen für den König“ statt.

Die 3. Sächsischen Zitrustage – Eine Entdeckungsreise
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