Ein Erfahrungsbericht aus dem Pflegealltag – Die olfaktorische Herausforderung

vor einiger Zeit fragte mich meine Aroma-Kollegin Manuela,
ob ich eine Idee hätte, wie man stark belastenden Geruch zu Leibe rücken könne.
Ich gab ihr einen Tipp weiter (s.hier), es doch mit Kaffeepulver zu versuchen.
…und sie tat es.

Herzlichen Dank an Manuela für ihren spannenden
Erfahrungsbericht und die Erlaubnis ihn in meinem Blog veröffentlichen zu
dürfen.

Hier ihr Bericht (leicht gekürzt):

Immer
wieder einmal kam es in meinem Berufsalltag als Krankenschwester vor, dass mir
etwas gestunken hat. Ach, das darf man ja gar nicht sagen, also, dass etwas
unangenehm gerochen hat. Und wie es sich gehört, wurde darüber natürlich nicht
gesprochen und wenn meine Kolleginnen einmal etwas unangenehm fanden,
zückten sie das frühlingsfrische Raumspray. Das hat mir zwar dann doppelt
gestunken, aber das Thema war abgehakt.

Eines Tages
jedoch, ergab sich eine Situation, die all unsere Vermeidungsstrategien zum
Scheitern brachte.
Ein
Patient, mit einer großen, Sekret absondernden und stinkenden Wunde,
wurde aufgenommen. Schon bei der Begrüßung des Patienten wurde klar, dass wir
vor einer Herausforderung stehen würden.
Zur
Aufnahme gehörte, den Verband von der Wunde abzunehmen. Der Geruch, der dort
entwich war unbeschreiblich und schockierend. 
Meine Kollegin rief nach Unterstützung,
um uns die Wunde zu zeigen, aber sicher auch, um diesem Gestank nicht allein
und hilflos ausgeliefert zu sein. 
Noch vor Betreten des Zimmers konnte man den
Gestank schon auf dem Gang deutlich wahrnehmen. Er nahm mir den Atem und löste
einen Brechreiz  und einen Fluchtreflex
aus. Durch den Mund atmen schien eine Möglichkeit zu sein, dem zu entgehen.
Allerdings standen die Angehörigen vor dem Patientenzimmer. Ich mußte also
freundlich lächeln und grüßen. Eigentlich nicht möglich, mit dem Wissen, dass das,
was mich gleich erwartete, noch um einiges schlimmer sein würde. 
Das Lächeln
gezwungen, die Begrüßung knapp betrat ich also das Zimmer und es war noch
schlimmer, als ich es draußen ahnte. Der Mundschutz war eine erste Option, um
mich zu schützen und gleichzeitig meine Mimik dahinter zu verstecken. Immer
wieder verließ ich das Zimmer, um Utensilien für den Verbandswechsel
heranzuschaffen und um Luft zu holen.
Die
Kommunikation mit dem Patienten war entsprechend distanziert und knapp, ein
richtiges Gespräch sehr schwer in Gang zu bringen. Denkbar schlechte
Voraussetzungen, um ein vertrauensvolles Verhältnis aufzubauen und die
Voraussetzung für eine gute Rehabilitation zu schaffen. Gleichzeitig im
Hinterkopf: “Der arme Mensch, er kann ja gar nichts dafür”….
Im Gespräch
mit meinen Kollegen war der Tenor der gleiche. “ Es stinkt wie in einer
Schwefelei”, “ mir wird schlecht”, “ der arme Mensch…..”
Wir fanden
ein Intervall des Verbandswechsels, welches half, den Geruch so einzudämmen,
dass der schlimmste Ekelfall nur beim Entfernen des Verbandes eintrat. Der
Geruch hing jedoch im Zimmer fest. 
Als wir den ersten Schock überwunden hatten,
fiel uns auf, dass der Patient sehr still und wortkarg war und wir nur einen
Bruchteil der persönlichen Informationen hatten, die wir normalerweise im
Gespräch mit Patienten erfuhren. Der Mann lächelte auch nie.
Dass das
etwas mit seinem Geruch zu tun haben könnte, kam mir leider zu diesem Zeitpunkt
noch nicht, obwohl ich ja weiss, wie das mit der Nase, den Gerüchen und den Reaktionen
darauf ist. Allerdings war ich noch zu sehr mit meinen Gefühlen, dem Alltag und
überhaupt… beschäftigt.
Irgendwann
kam im Team auch das Gespräch darauf, was wir diesem Patienten vielleicht Gutes
tun könnten, um es ihm etwas angenehmer zu machen. Sein Zimmer war geruchlich
so sehr belastet,  dass von Wohlbefinden
keine Rede sein konnte.
Den
Leidensdruck des Patienten zu mindern, lag mir am Herzen. Ich überlegte,
Orangenschalen auf die Heizung zum Trocknen zu legen. Bei dem Gedanken, welche
Geruchsmischung sich dabei eventuell ergeben könnte, drehte sich mir schon
wieder der Magen um. 
Raumluftreinigende ätherische Öle war die nächste Idee,
zB. Zitrone, Grapefruit, Myrte, Kiefer… Aber leider hatten wir auf Station
keine ätherischen Öle im Gebrauch.
Ich
telefonierte mit meiner Aroma-Kollegin Christine und fragte sie: “ Gibt es
etwas, was Gestank im Raum neutralisieren kann? Und bitte keinen Geruch, der
sich auch noch irgendwie damit verbindet!”
Sie meinte,
sie hätte von Kursteilnehmerinnen gehört, dass sie gute Erfahrungen mit Kaffee
gemacht haben. Na klar! Kaffee nimmt man zum Neutralisieren, weiss doch jede
Hausfrau…

Ich ging
also am nächsten Morgen voller Tatendrang zur Arbeit und berichtete meiner
Kollegin von unserer Idee. Sie meinte, ja, davon hätte sie auch schon gehört.
 „…aber willst du dem Patienten das sagen?”
Eine
berechtigte Frage.
Wie sagt
man jemanden, dass es „ungut“ riecht, ohne dabei grenzüberschreitend zu sein?
Wir
einigten uns darauf, dass wir das Kaffeepulver erst einmal ohne Kommentar in
das Zimmer stellen und wenn wir eine Verbesserung feststellen würden, den
Patienten dann mit einzubeziehen.
Wir füllten
gemahlenen Kaffee (ca. 250 g) in eine Schüssel und stellten sie auf ein Regal
im Zimmer. 
Nach einiger Zeit betrat ich das Zimmer wieder und ach, wie war das
schön – es hing ein leichter Duft von Kaffee in der Luft, eigentlich eher eine
Ahnung davon und man roch ausserdem – Nichts!
So setzte
ich mich zu dem Patienten und berichtete ihm von unseren Überlegungen und was
wir getan hatten. Ganz offen und das, was er dann sagte, verblüffte mich dann
doch. “ Wissen Sie Schwester, ich rieche ja gar nichts anderes mehr” “Außer
sich selbst und ihre Wunde?” “ Ja!”
Ich gab ihm
die Schüssel mit dem Kaffee zum Riechen. Er roch daran, nahm eine richtige Nase
voll und entspannte sich zusehends. Dann äußerte er den Wunsch sich hinzulegen
und bat mich das Fenster zu öffnen. Auch
das war neu, denn ich hatte vorher sehr selten das Fenster offen gesehen. Mit
dem Hinweis, sich zu melden, deckte ich ihn gut zu und ging. 
Als ich später
wieder das Zimmer betrat, fand ich ihn eingekuschelt in seine warme Wolldecke
und lächelnd vor.
Der Kollege
vom Spätdienst, der von unserer Aktion wußte, kam später aus dem Zimmer und
sagte “Es riecht ja gar nicht nach Kaffee” Ich fragte Ihn, wonach es denn
riecht. Er sagte “ na nach gar nichts”. 
Ziel erreicht!
Da ich die
nächsten Tage nicht im Dienst war, schrieb ich für die Kollegen alles auf.
Stellte ihnen aber frei, selbst zu entscheiden, ob sie es weiterführen wollten
und besorgte genügend Kaffee.
Nach einer
Woche war ich wieder da. Der Patient war inzwischen auf eine andere Station
verlegt worden. Ich fragte meine Kollegen, ob sie denn unser “ Kaffee-Experiment”
fortgeführt hätten. Und sie berichteten mir Erstaunliches. Noch an dem Abend,
als wir begonnen hatten, ist der Patient “viel lockerer” gewesen. Er hat
gelacht und gescherzt, war deutlich aufgeschlossener und gesprächsbereit. Und
wie hat es gerochen? “ Sehr angenehm” und “ es roch nach irgendwas, nicht nach
Kaffee, aber auch nicht schlecht, kann es nicht benennen. “  Die Kollegin, die den Patienten auf die
andere Station verlegte, übergab unsere Idee gleich mit. Sie wurde dort dankbar
aufgenommen und direkt umgesetzt.
Der Patient
kam später noch einmal zu uns zurück. Mit ihm auch die Kaffeeschale und ein
(sein) sehr vertrauter Umgang mit uns.
Ich danke
meinen Kolleginnen und Kollegen, dass sie sich auch auf diese Idee einlassen
haben.
Für den
nächsten “Geruchsnotfall “sind wir jetzt gut gewappnet.
Die Kaffeeschale
Foto: Manuela Strese
 Anmerkung:
Die Schale mit Kaffeepulver haben wir täglich erneuert.

Manuela
Strese
Krankenschwester
Beraterin
für ganzheitliche Gesundheitspflege und Naturheilkunde
Aroma Gesundheitspraktikerin
(BfG)
Ein Erfahrungsbericht aus dem Pflegealltag – Die olfaktorische Herausforderung

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